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Wie ich ich bleibe - Mensch sein im Google-Zeitalter

DER SPIEGEL Nr. 34 vom 14.08.2015
DER SPIEGEL Nr. 34 vom 14.08.2015

Dem SPIEGEL ist eine sehr schöne Titelstory gelungen, die das für und wider der Digitalisierung und Technisierung - insbesondere im Zusammenhang mit dem Internet - beleuchtet.


Die junge Generation wächst schon fast als Ditital Natives ganz selbstverständlich mit dem Internet auf, während die älteren Generationen noch ein Leben ganz ohne Computer kannten.


Die einen fühlen sich zusehens bedroht, die anderen gehen offen bis blauäugig mit der Internettechnologie um.

Insgesamt sehen wir viele Chancen und Risiken. Aber die Kontrolle wollen wir doch nicht wirklich abgeben, oder?


Ich reflektiere diese SPIEGEL Titelstory in meinen eigenen Worten und Ansichten. 

 

Es war einmal...

Mit meinem Geburtsjahrgang 1969 gehöre ich noch zu den Menschen, die lange Zeit nichts mit Computern zu tun hatten und ein ganz normales Leben führten. Ab einer bestimmten Schulklasse durften wir im Unterricht Taschenrechner verwenden. Das war damals die gängige Digitaltechnik. Dafür verlernten dann viele Mitschüler mit der Zeit die Fähigkeit, Aufgaben auf dem Papier oder gar im Kopf auszurechenen.

 

Anfang der 1980er Jahre kamen die ersten Personal Computer an die Schulen. Der erste PC an unserer Schule war ein IBM, an den nur der EDV-Lehrer durfte und später eine handvoll älterer Schüler in einer Projektgruppe. Als ich dann wenige Jahre später auch zu der EDV-Projektgruppe stieß, war der VC-20 von Commodore state of the art. So begann mein erster Kontakt mit BASIC-Grundprogrammierung und PC-Spielen von der Datasette. In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre machte ich meine ersten Versuche im Internet. Seit 2005 habe ich erst ein Mobiltelefon, was ich mir nur wegen meiner Selbstständigkeit zulegte.

 

In der folgenden 3sat-Doku siehst Du, dass die Anfänge des Internet schon begannen, bevor irgend jemand in der normalen Bevölkerung nur etwas ansatzweise Großen zu träumen wagte. Selbst die wissenschaftlichen Mitarbeiter und Militärs konnten damals noch nicht ansatzweise ahnen, welchen technischen Grundstein sie da gelegt hatten... 

...und wurde allgegenwärtig

Heute gibt es kaum einen Lebensbereich, in den das Internet noch nicht vorgedrungen ist. Die im SPIEGEL-Leitartikel erwähnten Online-Datingportale zeigen es sehr deutlich:

 

Du kannst Dir per Ausschlussverfahren Deinen Traumpartner suchen, um Reinfälle zu vermeiden. Die zufällige Begegnung mit dem Traumpartner im Supermarkt kann aber trotzdem noch passieren und das, Gott sei Dank, ohne dass es von Dir geplant ist und der Traumpartner auch nicht äußerlich Deinen Idealvorstellungen entspricht. Jetzt liegt es an Dir, ob Du Mensch bleiben möchtest, und Ihr spontan für ein erstes von einer Millionen gemeinsamer Candlelight Dinner einkauft oder Du Dich weiter nur auf 'berechenbare' Beziehungen einlassen willst. Ich selbst sehe solche Datingplattformen im Internet nur als zusätzliche Möglichkeit, um eine interessante Frau kennen zu lernen. Dafür liebe ich zu sehr die Spontanität des Augenblicks im Supermarkt, im Buchladen, in der U-Bahn oder sonstwo. Zurück bleiben Deine Daten in der Onlinedatingbörse, die Dich und Deine Vorlieben beschreiben.

 

Die meisten Menschen haben heute ein Mobiltelefon - viele sogar ein Smartphone. Das ist im Grunde ein kleiner PC im Hosentachenformat. Damit bist Du vielerorts erreichbar und kannst Dir Informationen aus der ganzen Welt besorgen. Auf der anderen Seite bist Du von staatlichen Organen und auch Kriminellen mit der entsprechenden Technik jederzeit abhörbar und aufspürbar. Damit trägst Du freiwillig Dein Überwachungsgerät, Deine persönliche Wanze spazieren! Dein Mobiltelefon sendet erst keine Signale mehr, wenn Du die Batterie herausnimmst.

 

Sehr extrem ist für mich Facebook. Die gigantische Datenmengen, die Facekook sammelt, speichert und verarbeitet, ist schier unvorstellbar! Wer bei Facebook mitmachen möchte, muss den Nutzungsbestimmungen zustimmen oder gehen. Eine ganze Reihe meiner Freunde, die Facebook nur privat nutzen, sind mittlerweile gegangen, weil sie die Rechte an ihren Daten, Bildern, etc. nicht weiter abgeben und fremd genutzt sehen wollten. Mittlerweile besteht sogar eine Klarnamenpflicht für Facebook-Nutzer. In einer STASI-Parodie wurde Facebook als Schlaraffenland für Geheimdienste bezeichnet. Die Realität sieht auch genau so aus! Bereitwillig oder per Verpflichtung geben Social Media Plattformen und Telefonanbieter die Daten ihrer Kunden an staatliche Stellen weiter bzw. richten ihnen gleich eigene Zugänge auf deren Datenserver ein. Neben Facebook ist der amerikanische Telefonanbieter AT&T deshalb schon durch die Medien gegangen. Da soll sich nochmal jemand über Volkszählungen oder Vorratsdatenspeicherung aufregen! 

 

Die Handelsplattform Amazon ist eine der wichtigsten Kooperationspartner von Facebook. Neulich habe ich bei Amazon eine Yogamatte gesucht. Bei Facebook hatte ich dann 2 Wochen lang ein Yogamatten-DéjàVu, obwohl ich mich schon längst gegen den Kauf dieser Yogamatte entschlossen hatte. Der dahintersteckende Wunschgedanke, potenziellen Kunden passende oder ähnliche Produkte anzubieten, bleibt nur oberflächlich effektiv, weil eben nicht intelligent. Schließlich hatte mich zuvor niemand gefragt, ob ich an meine begutachtete Yogamatte erinnert werden wollte oder ähnliche Artikel vorgeschlagen bekommen wollte. Vorschläge bleiben eben noch Schläge!

 

Google schießt den Flugsaurier ab: Nicht nur, dass Google die für Profis unverzichtbare Suchmaschine der größte Datenstaubsauger der Welt ist. Google arbeitet an den verschiedensten Alltagsgegenständen, wie Google Glasses - die Google-Brille, oder in Zukunft sogar an Autos, die voll mit dem Internet verbunden sind. Und immer wieder werden Daten um Daten gesammelt, gespeichert und verarbeitet! 

 

Die große Chance digitaler Technik in der Arbeitswelt

Es folgt die Rede von Christiane Benner, IG Metall Vorstand, am 10.09.2014 auf der 6. Engineering- und IT-Tagung, wo sie ihre Vision von Arbeiten 4.0 beschreibt:

Wenn Frau Brenner es schafft, Ihre Vision durchzusetzen, erleben wir eine positive Flexibilisierung in der Arbeitswelt. Arbeiten von zu Hause oder jedem anderen Ort der Welt wäre kein Problem mehr. Alleinerziehende Elternteile hätten so beispielsweise eine bessere Chance, einen Arbeitsplatz zu bekommen. Das Thema Teilzeit bzw. flexible Arbeitszeit und Job Sharing könnte dann auch viel positiver umgesetzt werden. So könnten mehr Menschen wieder einen Arbeitsplatz finden. Die Frage bleibt, ob man es auch so umsetzen wird?


Risiken und Chancen bewusst abgrenzen - auch ganz für sich selbst

Die Risiken und Chancen mit der Internettechnologie werden in Zukunft steigen. Insgesamt ist es eine große Herausforderung, die eigentlich nicht mehr aufzuhalten, dafür aber sinnvoll und rechtssicher zu gestalten ist.

 

Der kritische Zeitgeist-Blogger und Autor Sacha Lobo beantwortet Fragen zur Internetpolitik auf dem YouTube-Kanal der SPD. Im SPIEGEL-Leitartikel spricht Sascha Lobo von eim mündigen Umgang mit der Digitalisierung.

Der technische Aspekt darf auch nicht unbeachtet bleiben:

 

Ein mit Computertechnik vollgestopftes Auto, ein digital kontrollierter Haushalt oder medizinisches Gerät können menschliches Handeln immer nur ergänzen, Routinearbeiten erledigen, Entscheidungen durch schnelle Informationserhebung schneller treffen lassen, aber niemals Verantwortung übernehmen! Wer seine Verantwortung an eine Maschine abgibt, behält nach meiner Meinung trotzdem die grundsätzliche Schuld, wenn etwas schief geht!

 

Natürlich kann bespielsweise ein Autopilot in einem Fahrzeug lebensrettend sein, wenn ein Sensor im Fahrzeug bemerkt, dass der Fahrer in Sekundenschlaf gefallen ist oder einen Herzinfakt erleidet. Der Autopilot ruft den Rettungswagen und steuert den nächsten Parkplatz an.  

 

Wenn irgendwann Deine komplette Umgebung mit Elektrosmog belastet ist, weil überall um Dich herum WLAN, Funk und andere elektromagnetische Felder existieren, wird diese Technik auch noch viele gesundheitliche Probleme mit sich bringen.

 

Worum es der Wirtschaft wirklich geht

Daten sind die neue Währung. Die Unternehmen, die viele Daten sammeln, haben damit potenziell viel Macht und Wissen angehäuft, die auch gerne an andere Firmen weiter verkauft oder staatliche Institutionen, wie beispielsweise die NSA. abgegeben werden (müssen).

 

Aber eigentlich gehören die Daten doch ihrem Eigentümer? Also in erster Linie natürlichen und juristischen Personen. Warum erhalten diese Personen kein Geld für die Abgabe ihres Eigentums. Dies wäre für jedermann eine willkommene Einnahmequelle!

 

Man kann es natürlich auch anders interpretieren: Du erlaubst z. B. Facebook, Deine Daten zu nutzen. Im Gegenzug gestattet Dir Facebook, dort zu posten.  Wenn Du nichts zahlen musst, bist Du das Produkt!

 

Bei jedem materiellen Wirtschaftsgut, das Du abgibst, läge die Frage automatisch nahe, zu welchem Preis Du das tun würdest. Nur beim eigenen, immateriellen Wirtschaftsgut, Deinen Daten, soll das nicht gelten? Von wegen! Wenn ich mir für ein Postmailing Adressen mit passendem Publikum bei entsprechenden Dienstleistern bestelle, zahle ich ja auch je Adresse Geld. Daten sind also ein immaterielles Wirtschaftsgut. Die Allgemeinheit ist sich dessen aber nicht wirklich bewusst!

 

Was Du für Dich tun kannst

Grundsätzlich gelten immer noch die goldene Regeln:

 

1. Veröffentliche nur Daten, die Du öffentlich machen willst!

 

Alle Daten, die Du einmal aus Deiner Hand gegeben hast, sind nicht mehr unter Deiner Kontrolle.

Das Recht auf Vergessenwerden ist leider noch nicht Gesetz. Mit eventuell viel Geld kannst Du bestimmte Daten aus dem Internet entfernen lassen.

 

Datenschutz hin oder her: Du weißt, dass Datenbanken und Internet-Accounts heute sogar von internetaffinen Schülern gehackt werden können. Da heute eigentlich nichts mehr ohne digitale Datenerfassung  geht, kannst Du nur noch die Menge Deiner registrierten Daten so klein wie möglich halten. Allerdings wirst Du es leider nicht verhindern können, dass ohne Dein Wissen in Zukunft Daten von Dir erhoben werden. Beispielsweise durch Überwachungskameras, in mittlerweile auch Daten von Mobiltelefonen oder von RFID Chips aus Kleidung erfassen können sowie Deinen Gang, Deine Stimme und andere personentypische Merkmale erkennen können.

 

Mit Freude habe ich kürzlich vernommen, dass Mozillas Browser Firefox voraussichtlich die Technik des derzeit sichersten Internet Browsers TOR integrieren wird. Damit ließe sich eine seriöse Internetplattform durch Mozilla schaffen, die sich vom oft unseriösen Darknet klar distanzieren könnte. Das Recht auf Privatsphäre muss auch im Internet geschützt sein!

 

 

2. Jedes Gerät / jede Anlage, die mit dem Internet verbunden ist, kann von außen manipuliert werden!

 

Im Internet gibt es diverse, besorgniserregende Videos, die dokumentieren, wie beispielsweise ein Hacker sich in die digitale Steuerung des Glockenturms einer Kirche hackt und die Glocken nach Belieben läuten lässt. Ebenso könnte die Schaltzentrale eines Staudammes gehackt werden, und so ferngesteuert ein ganzes Tal geflutet werden. Der Bordcomputer eines Autos ist ebenfalls ein willkommenes Ziel für Hacker. So sollten heutzutage sogar moderne Mordanschläge verübt werden.

 

Falls bei einem computergesteuerten Auto oder einem anderen Gerät der Computer einmal ausfallen sollte, hat der Benutzer ein massives Problem, falls er nicht auf manuellen Betrieb umstellen kann!

 

 

Für uns aus den älteren Generationen ist es noch machbar, uns mehr oder weniger aus dem globalen Datenwahn zurück zu halten, weil wir noch in einem anderen Bewusstsein und mit anderen Hilfsmitteln  aufgewachsen sind. Die neuen Generationen werden wie selbstverständlich als Digital Natives in eine hochtechnisierte Welt hineingeboren und werden eines Tages wahrscheinlich nicht einmal mehr verstehen können, warum Menschen es abgelehnt haben, dass Daten von ihnen online gestellt wurden. Mit einer bewussten Erziehung unserer Kinder können wir eine kritische Haltung aufrecht erhalten, aber die technische Entwicklung wohl kaum ändern.

 

Die Macht, die der Nutzer im Internet ausüben könnte, wurde von der breiten Bevölkerung noch gar nicht richtig bewusst wahr genommen.


Estland hat sich seit ihrer Loslösung von Russland seit 1991 bis heute in eine digitale Gesellschaft gewandelt. Hier siehst Du viele positive Möglichkeiten, wie das Internet in den Alltag sinnvoll integriert werden können. Der Ruf nach einem kostenlosem Internetzugang und als Grundrecht für jeden einzelnen Staatsbürger, wie es sich die Piratenpartei als Zukunftsvision wünscht, ist in Estland schon längst eine Selbstverständlichkeit.

 

Die Reportage von TM Wissen / Service TV zeigt Dir, wie das in der Praxis aussieht:

Alles wird sehr offen und transparent gehandhabt, wo wir Deutschen noch unsere einen oder anderen Bedenken haben. Zu recht?


Hier das Schlusswort und den Denkanstoß zum Thema Internet: Ich überlasse es dem am 01. Juni 2015 verstorbenen Psychologen und Unternehmensberater Prof. Dr. Peter Kruse:

Letztendlich wird kein Computer die Komplexität des menschlichen Gehirns übertreffen oder Entscheidungen; gar Verantwortung abnehmen können, denn für eine echte menschliche Entscheidung braucht es mehr als Rationalität und Kalkül.


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